Fünf Gegner auf Haugs Radar

Zehn Kilogramm machen viel aus

[04.03.2012] Formel 1

To sandbag: sich zurückhalten. Dieses englische Verb hat aktuell bei den Testfahrten in Barcelona wieder Hochkonjunktur, denn vor allem Red Bull wird unterstellt, dass sich das Team stark zurückhält und eigentlich mehr als eine Sekunde schneller sein könnte. Das bedeutet allerdings nicht, dass Sebastian Vettel und Mark Webber mit angezogener Handbremse fahren - sollten sie denn wirklich mit nobler Zurückhaltung unterwegs sein. Mercedes-Motorsportportchef Norbert Haug hat versucht, die Täuschungsmöglichkeiten zu erklären.

"Jedes Team gibt bei den Tests 100 Prozent. Wäre das nicht der Fall, würde man nicht lernen. Allerdings ist von außen nie einzuschätzen, ob beispielsweise mit zehn Kilo mehr oder weniger an Bord gefahren wurde. Und zehn Kilo Sprit machen in Barcelona 0,4 Sekunden pro Runde aus. Ein Beispiel: Fährt das Team X hier 1:22,000 und das Team Y mit 30 Kilo mehr an Bord 1:23,000 pro Runde, dann ist Team Y schneller als Team X", sagte Haug bei einem Live-Chat der Bild.

Fünf starke Gegner

Diese Benzingewichte sind aber immer schwer einzuschätzen, daher ist der einzige Anhaltspunkt für die Teams, wenn ein Konkurrent eine Rennsimulation gefahren ist, da man dadurch die Spritmenge ausrechnen kann. "Zum Beispiel machen 64 Runden bei zwei Kilo Spritverbrauch [pro Runde] knapp 130 Kilo Startgewicht. So kann man in etwa abschätzen, wie schwer das Auto unterwegs war", erklärte der Mercedes-Motorsportchef. Aber auch dann gibt es noch Möglichkeiten zum Sandbaging, denn Teams können auch mit 20 Kilogramm Übergepäck losfahren. Trotzdem glaubte Haug, fünf Mercedes-Konkurrenten ausgemacht zu haben, die er als besonders stark einschätzen kann.

Neben den beiden Klassenprimi Red Bull und McLaren zählte er noch Sauber, Lotus und Force India dazu. "Vielleicht können sich die Deutschen Formel-1-Fans deshalb auf eine gute Performance von Nico Hülkenberg freuen", meinte er. Aber auch Mercedes soll mit guter Leistung auffallen, das weiß Haug selbst. Im dritten Jahr als Werksteam sind die Ansprüche wieder etwas gestiegen, wobei er vorsichtig blieb. "Es ist in der Formel 1 nicht ungewöhnlich, dass es fünf Jahre bis zum ersten Sieg dauert. Wir wollen uns Schritt für Schritt steigern und nach zweimal Platz vier 2012 besser abschließen." Das würde heißen, Konstrukteurs-Rang drei. Sollte Ferrari wirklich große Probleme haben, wäre das möglich, wobei Lotus sicher nicht zu unterschätzen ist und Sauber als heißer Außenseiter gilt. Für Haug steht fest, Mercedes soll weiter Schritt für Schritt besser werden.

Niemanden unterschätzen

"Ich habe aber keinen Stufenplan ausgerufen, den hat da jemand rein interpretiert. Wir sind in der Basis gut aufgestellt. Jeder weiß nach zwei bis drei Rennen, wo er steht. Dann gibt es aber Weiterentwicklungen. Das hat man voriges Jahr bei McLaren gesehen. Man darf Teams nie unterschätzen und ich denke, dass Ferrari einige Teile seiner Probleme schon abgearbeitet hat. Was wir im Vorjahr hatten, war ein konzeptioneller Punkt, bei dem wir am Limit waren - beim Radstand und beim Schwerpunkt. Das war sicher eine Fehleinschätzung. Man hat das aber schon mit Bedacht gemacht, weil manche sich erhofft haben, dass es funktioniert. Wenn dann ein Prozent zur Spitze fehlt, ist man nicht mehr in den Top-3"

© adrivo Sportpresse GmbH

Foto: Sutton