Carsharing - Nischenprodukt oder Heilsbringer?

Ist Carsharing schon fester Bestandteil des Mobilitätsmarktes?

[22.06.2015] Carsharing | jp

Carsharing war der Trend der letzten Jahre auf dem deutschen Automarkt. Das flexible Mietkonzept bringt immer mehr Menschen ins Auto und auch die Umweltbelastung wird reduziert. Doch wie sind die Perspektiven der Anbieter nach dem rasanten Erfolg der letzten Jahre und wird das Car-Sharing in Zukunft vielleicht sogar kostenlos möglich sein?

Gesetzliche Vorteile für Carsharing

DriveNow
DriveNow betreibt in Deutschland derzeit Standorte in Hamburg, Düsseldorf, München, Berlin und Köln, Foto: DriveNow

Wer mit einem Auto der verschiedenen Carsharing-Anbieter unterwegs ist, soll nach den Vorstellungen des Bundesverkehrsministers in Zukunft deutliche Vorteile im Straßenverkehr genießen. Geplant ist unter anderem die Freigabe von Parkplätzen nur für Fahrzeuge aus Carsharing-Flotten. Diese könnten ähnlich ausgezeichnet werden wie Haltepunkte für Taxen. Auch die Freigabe von Taxi- und Busspuren für die Mietautos ist im Gespräch. Alles in allem soll die Nutzung von Carsharing ín Deutschland durch gesetzliche Regelungen deutlich vereinfacht werden.

Der Bundesverband Carsharing begrüßt diese gesetzlichen Rahmenbedingungen. Denn durch das Teilen der Fahrzeuge reduziere sich Verkehr und Lärm, was vor allem in Großstädten zu einer Entlastung von Feinstaub führe. In einem Gutachten des Verbandes ist sogar die Rede von einer Reduzierung benötigter Pakrplätze. So soll durch die umfassende gemeinschaftliche Fahrzeugnutzung der Stellplatzbedarf um 90 Prozent gesenkt werden. Dafür müssten allerdings weitere Kunden für die Dienste gewonnen werden und ihr eigenes Auto im Zuge des Umstiegs auf Carsharing aufgeben. Das können sich allerdings nur etwa 16 Prozent der Autofahrer vorstellen. Größte Kritikpunkte sind zu hohe Kosten bei dauerhafter Nutzung und die nicht immer garantierte Verfügbarkeit.

Eine Angebot mit viel Potential

Der Traum, dass Car-Sharing das eigene Auto größtenteils oder sogar vollständig ersetzt, bleibt also bisher eine Wunschvorstellung. In Berlin zum Beispiel steigen die Anmeldungen für PKW trotz der vielen Carsharing Anbieter auch weiterhin und gerade einmal 1,7 Prozent der Führerscheinbesitzer sind nach einer Studie des TÜV Süd und der Beratungsgesellschaft BBE Automotive in Deutschland überhaupt bei solchen Diensten registriert. Das entspricht etwa einer Millionen Nutzer. Somit ist es eher unwahrscheinlich, dass das eigene Auto mittelfristig zum Auslaufmodell wird. Auch wenn die Prognose einen Anstieg auf etwa drei Millionen Carsharing-Kunden bis zum Jahr 2020 prophezeit, bleibt die gemeinschaftliche Fahrzeugnutzung vorerst ein ergänzendes Angebot zwischen eigenem Auto und dem ÖPNV.

Rote Zahlen für Drive Now

Für diese These spricht auch die wirtschaftliche Lage des Carsharing-Unternehmens Drive Now. Das gemeinsame Angebot von BMW und Sixt hat Anfang des Jahres angekündigt, sich vorerst auf die bisher bedienten Standorte Hamburg, Düsseldorf, München, Berlin und Köln zu beschränken. Auf Absehbare Zeit ist kein weiterer Ausbau geplant. Zwar ist das Geschäft nach Auskunft von Drive Now „mittlerweile operativ profitabel“, die hohen Anlaufkosten sorgen jedoch weiterhin für rote Zahlen.

Markenbindung und kostenlose Miete als Zukunftsmodell

Um weiterhin dem Ziel der Wirtschaftlichkeit näher zu kommen, nutzen die Anbieter das Car-Sharing auch als Möglichkeit neue Technologien zu erproben. So wächst bei der Daimler-Tochter Car2Go der Anteil an Elektrofahrzeugen in der weltweit aktiven Fahrzeugpalette. Zudem nutzen die großen Autobauer ihre Carsharingangebote auch zur Markenbindung. Denn Studenten oder Azubis können sich meist erst nach der Ausbildung ein eigenes Auto leisten und wählen dann gerne in ein Modell wie Mini (Drive Now) oder Smart (Car2Go), das sie bereits vom Carsharing kennen.

Besonders Reizvoll für Unternehmen und Kunden ist die kostenlose Nutzungsmöglichkeit von Carsharing-Angeboten. Was sich zunächst widersprüchlich anhört, setzt auf kontroverse Mechanismen, nach denen auch soziale Netzwerke wie Facebook funktionieren. So kann, nach einem alternativen Geschäftsmodell der Beratungsfirma KPMG, das Unternehmen die Daten der Nutzer für Werbezwecke nutzen und dem Kunden während der Fahrt beispielsweise personalisierte Angebote für umliegende Geschäfte auf dem eingebauten Bildschirm anzeigen. Die durch die Werbekunden finanzierte Fahrt kann so die Kosten für den Fahrer senken. BMW nutzt mit Drive Now bereits solche Partnerangebote, die allerdings nur durch die explizite Suche des Fahrers angezeigt werden. Theoretisch können also Kunden, die der Nutzung ihrer Daten zu Werbezwecken zustimmen, besonders günstige Preise bis hin zu kostenlosen Fahrten in Anspruch nehmen. Offen über solche Pläne hat bisher allerdings kein Anbieter gesprochen. Technisch ist diese Maßnahme jedoch kein Problem.