Schadensersatzrecht geändert

Gefährdungshaftung im Straßenverkehr

[10.05.2007] Ratgeber

Seit Ende vergangenen Jahres ist die gesetzliche Änderung des Schadenersatzrechts in Kraft. Damit geht eine Erweiterung des Schmerzensgeldanspruchs und eine Einschränkung des Haftungsumfang bei Sachschäden einher. Darüber hinaus beinhaltet die gesetzliche Änderungen auch die Reform der Gefährdungshaftung im Straßenverkehr. Hier die wichtigsten Neuerungen im Überblick.



Unfallgeschädigte


 Geschädigte von Unfällen (z.B. im Straßenverkehr) haben nach der Gesetzesänderung mehr Möglichkeiten, Schmerzensgeld zu erhalten. Schmerzensgeld kann sofort auch, wie jeder Sachschaden, nach allgemeinen Grundsätzen gefordert werden. Ein Anspruch auf Ersatz "immaterieller Schäden" konnte bisher nur geltend gemacht werden, wenn es durch das Verschulden des Verursachers zu Verletzungen oder Gesundheitsschädigungen kam. Anders als bisher haftet beispielsweise ein Autofahrer auch dann, wenn seinerseits kein Verschulden vorliegt. Denn der Anspruch auf Schmerzensgeld hängt nach neuem Recht nicht mehr davon ab, ob die Schädigungen schuldhaft herbeigeführt worden ist, sondern davon, ob dem Schädiger eine Gefährdungshaftung nachgewiesen werden kann. 

Um einen Schmerzensgeldanspruch auch ohne das Verschulden des Schädigers geltend zu machen, muss eine Gefährdungshaftung vorliegen. Schon vor der gesetzlichen Änderung galt, dass auch Kraftfahrer, die in jeder Hinsicht fehlerfrei und rücksichtsvoll fahren, bei Unfällen oft haften müssen. Dieser Gefährdungshaftung liegt die Idee zugrunde, dass von Kraftfahrzeugen generell eine Gefahr ausgeht - unabhängig vom Verhalten des Fahrers.

Eine Gefährdungshaftung lag vor der gesetzlichen Änderung nicht vor, wenn es sich bei dem Unfall um ein unabwendbares Ereignis gehandelt hat. Also wenn der Autofahrer trotz idealer Fahrweise den Unfall nicht verhindern konnte - was ihn bisher von der Haftung befreien konnte. Gegenüber nicht motorisierten Verkehrsteilnehmern wie Radfahrern, Fußgängern oder Inline-Skatern ist der Haftungsausschluss aufgrund eines unabwendbaren Ereignisses abgeschafft worden. Jetzt gilt, dass ein Haftungsausschluss nur noch dann möglich ist, wenn der Unfall auf höhere Gewalt (z.B. Steinschlag) zurückzuführen ist. Zudem gilt die Gefährdungshaftung nun auch zugunsten der geschädigter Fahrzeuginsassen oder geschädigter Personen außerhalb des Fahrzeugs.

Geschädigte Beifahrer/Mitfahrer

Auch dies bedeutet eine grundlegende Änderung: Bisher gingen geschädigte Mitfahrer leer aus - es sei denn sie waren zahlende Gäste in einem Taxi oder einem Bus. Sind allerdings nur Autos an einem Unfall beteiligt, bleibt es bei der bisherigen Regelung: Ein unabwendbares Ereignis kann hier weiterhin die Befreiung von einer Haftung begründen.


Weitere Neuerung im Zusammenhang mit der Gefährdungshaftung ist die Erhöhung der Haftungshöchstgrenzen erhöht worden. Wichtig zu wissen: Die Haftungshöchstgrenzen gelten nur bei Gefährdungshaftung, also wenn kein Verschulden vorliegt. Wer einen Unfall verschuldet, haftet unbegrenzt.
 
Kinder im Straßenverkehr erst ab 10 Jahren haftbar

Änderungen haben sich auch im Haftungsrecht im Straßenverkehr für Kinder ergeben. Grundsätzlich gilt nun, Kinder sind im Straßenverkehr erst ab einem Alter von zehn Jahren - nicht wie bisher ab sieben Jahren - haftbar. Denn Psychologen haben festgestellt, dass jüngere Kinder aufgrund ihrer psychischen und physischen Fähigkeiten noch nicht in der Lage sind, Situationen und Gefahren im komplexen Straßenverkehr zu verstehen und richtig einzuschätzen.

Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Läuft ein Kind beim Ballspielen auf die Straße, so dass ein Autofahrer ihm plötzlich ausweichen muss und deshalb parkende Autos beschädigt, kann das Kind nicht mehr für den Schaden haftbar gemacht werden. Grundsätzlich von dieser Neuregelung ausgenommen bleiben Fälle, in denen Kinder Schäden vorsätzlich herbeiführen. Ein Beispiel: Wirft ein Kind von einer Brücke Pflastersteine auf die Fahrbahn, muss es für den entstandenen Schaden haften. Außerhalb des Straßenverkehrs bleibt auch die vorherige Altersgrenze von sieben Jahren bestehen.

Auch weiterhin muss das Kind bzw. die Familienhaftpflichtversicherung für die zerbrochene Scheibe des Nachbarn haften, wenn das Kind sie beim Ballspielen kaputt geworfen hat. In gewissen Fällen können auch die Eltern für den durch ihre Kinder verursachten Schaden aufkommen - für den Fall, dass sie ihre Aufsichtspflicht nachweislich verletzten. 

Änderungen bei Blech- und Sachschäden

  Der Haftungsumfang bei Sachschäden hingegen ist eingeschränkt worden. Entsteht bei einem Unfall ein Blechschaden an einem Fahrzeug, so hat der Geschädigte die Wahl, sein Auto in einer Fachwerkstatt reparieren oder die Reparaturkosten durch einen Sachverständigen schätzen zu lassen und mit der Haftpflichtversicherung des Schädigers auf der Basis dieses Gutachtens abzurechnen. Während er bisher auch bei einer Abrechnung auf Gutachtenbasis die fiktiven Reparaturkosten einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer ersetzt verlangen konnte, sieht die gesetzliche Änderung nun vor, dass die Umsatzsteuer nur noch dann zu erstatten ist, wenn und soweit sie auch tatsächlich angefallen ist. (Quelle: LVM)