Erhöhter Kraftstoffverbrauch eines Neuwagens als Sachmangel
Urteil: Über zehn Prozent Mehrverbrauch sind ein Mangel
Liegt der Kraftstoffverbrauch eines Neuwagens mehr als zehn Prozent über den Herstellangaben im Verkaufsprospekt, kann der Autobesitzer wegen Sachmangel vom Kaufvertrag zurücktreten. Das hat jetzt das Oberlandesgericht Hamm entschieden (AZ: 28 U 94/12, 4 O 250/10). Nach Angaben des Auto Club Europa (ACE) hatte der Besitzer eines Renault Scénic Dynamique (2.0 16 V 140 CVT) wegen zu hoher Kraftstoffverbrauchswerte geklagt.
Der Verbrauch (kombiniert innerorts / außerorts) lag laut dem Gutachten eines Sachverständigen (TÜV-Nord) tatsächlich bei 8,5 Liter pro 100 Kilometer statt wie vom Hersteller behauptet, bei 7,7 Liter pro 100 Kilometer; das ist ein Mehrverbrauch von 10,3 Prozent.
Der ACE begrüßte das mit seinem Rechtschutz erstrittene Urteil. Zugleich machte der Club darauf aufmerksam, dass Rechtstreitigkeiten über Kraftstoffverbrauchswerte sehr aufwendig seien. Wer ohne Rechtschutz klage, gehe auch angesichts des Kostenaufwandes für Sachverständigengutachten ein hohes Risiko ein. Wer sich überhöhte Verbrauchswerte nicht einfach gefallen lassen will, hat einen steinigen – und teuren – Weg vor sich. Die Hersteller lassen meist nicht mit sich reden und schieben die beanstandeten hohen Verbrauchswerte dem individuellen Fahrverhalten des Käufers zu. Ohnehin könne man die unter genau festgelegten Laborbedingungen ermittelten Werte nicht mit dem vergleichen, was das Fahrzeug im Alltagsverkehr "schluckt".
Die Gerichte kennen diese Argumente mittlerweile und lassen den tatsächlichen Verbrauch regelmäßig durch versierte Sachverständige ermitteln. Das OLG Hamm bestätigte in der Urteilsbegründung zwei Grundsätze, die der Bundesgerichtshof (BGH) bereits in früheren Entscheidungen formuliert hat: Ein verständiger Käufer weiß, dass die tatsächlichen Verbrauchswerte von zahlreichen Einflüssen und der individuellen Fahrweise des Nutzers abhängen und deshalb nicht mit Prospektangaben gleichgesetzt werden dürfen, die auf einem standardisierten Messverfahren beruhen. Weichen die vom Sachverständigen ermittelten Verbrauchswerte gegenüber dem im Verkaufsprospekt angegebenen (kombinierten) Verbrauchswert um mehr als zehn Prozent nach oben ab, ist die Erheblichkeitsschwelle überschritten und ein Rücktritt vom Vertrag möglich.
Da in dem entschiedenen Fall der Mehrverbrauch gegenüber den Prospektangaben 10,35 Prozent betrug, bekam der Kläger in 2. Instanz recht. Mit entscheidend war aber auch die Rechtsschutzversicherung, entstehen bei einem derartigen Rechtsstreit doch schnell Kosten in fünfstelliger Höhe. (ampnet/jri)