Mercer-Untersuchung wagt Ausblick auf die Zukunft der Branche

Autos werden immer sicherer

[10.05.2007] Wirtschaft

Verkehrsteilnehmer können sich freuen: In den nächsten Jahren werden sich alle vorhandenen Sicherheitssysteme im Auto entscheidend verbessern. Das ist das Ergebnis der Mercer-Untersuchung "Automobile Sicherheitstechnik", die auf einer Befragung von Managern der Branche sowie einer Sekundärauswertung vorhandener Studien beruht.

Intensive elektronische Vernetzung

Vor allem die aktive Sicherheit wird verbessert, also Systeme zur Unfallvermeidung wie ESP, ABS oder die adaptive Geschwindigkeits-Regelung zur automatischen Abstandswahrung im Verkehr. Für Zulieferer ist diese Entwicklung sowohl eine Chance als auch eine Gefahr: Die intensive elektronische und mechanische Vernetzung, die die neue Technik erfordert, wird die Großen der Branche begünstigen. Kleine Unternehmen haben eine Chance als spezialisierte Komponentenhersteller, während die Mittelgroßen in Gefahr geraten.

Gurt und Airbag waren die Meilensteine der sicherheitstechnischen Entwicklung der letzten 30 Jahre. Sie haben dazu beigetragen, die Zahl der jährlichen Verkehrstoten in Deutschland seit Anfang der 70er-Jahre von über 21 000 auf unter 7 000 zu senken, obwohl sich die Zahl der zugelassenen Kraftfahrzeuge von etwa 14 Millionen im Jahr 1970 auf heute 45 Millionen Pkws verdreifacht hat. Solche passiven Systeme zum Insassen- und Fußgängerschutz sind heute Standard - aber bei weitem nicht ausgereizt.

Vorangetrieben wird die Entwicklung zu mehr automobiler Sicherheit von vielen Seiten. Sicherheit zum Beispiel ist für Autofahrer ein Top-Kriterium beim Autokauf geworden. Hinzu kommen zahlreiche Gesetzesinitiativen, die die Automobilhersteller zum Einbau von mehr Sicherheitstechnik drängen: Die USA werden in den nächsten Jahren die schrittweise Einführung intelligenter Rückhaltesysteme verlangen, und die EU plant, ab 2005 mehr Fußgängerschutz festzuschreiben. Mit Sicherheits-Fahrgastzellen, fortgeschrittenen Gurtsystemen und ausgeklügelten Airbag-Systemen ist der Insassenschutz schon heute sehr weit entwickelt.

Entsprechend wird es in Zukunft nur noch schrittweise Verbesserungen geben. Die wichtigste Neuerung stellen miteinander kombinierte Innenraum-Sensoren dar, die Größe, Position und Bewegung der Passagiere erkennen und die Sicherheitssysteme darauf einstellen können. Die Vernetzung aller Insassenschutz-Komponenten stimmt Gurte, Sitzposition und Airbags für jede denkbare Situation optimal aufeinander ab. Es wird elektrische Gurtantriebe geben, variable Gurtstraffer, aufblasbare Gurte, neue Gurtmaterialien und mehrstufige Airbags für fast jeden Bereich im Auto.

Das nächste Jahrzehnt gehört der Fahrer-Assistenz

Die aktive Sicherheit eines Autos dient der Vermeidung von Unfällen: durch intelligente Bremsen und Fahrwerke und durch Außensensoren. Einige aktive Sicherheitssysteme gibt es bereits heute schon mit ABS, ESP, Einparkhilfe oder Reifendruckkontrolle. Relativ neu sind die adaptive Geschwindigkeitsregelung, die automatisch den Abstand zum voraus fahrenden Wagen hält, und das mitlenkende Kurvenlicht.

In Zukunft werden Abstandssensoren vor Auffahrunfällen warnen und Straßensensoren vor Eis. Spurführungs- und Spurwechsel-Hilfen sowie ein Stop-and-Go-Automat werden Autobahnfahrten und Staus komfortabler gestalten. Ein adaptives Licht passt die Straßenausleuchtung automatisch an die vorherrschenden Verhältnisse an, und auf Wunsch fährt ein Einpark-Assistent selbsttätig in Parklücken. Das Auto der Zukunft soll sogar Konzentrationsmängel des Fahrers frühzeitig erkennen und davor warnen können. Nach dem Unfall wird die Benzinpumpe automatisch abgeschaltet und ein Notruf abgesetzt. Künftig wird das GPS die Rettungsmannschaften auch an den Unfallort führen können.

Bereits in naher Zukunft wird das heutige ESP mit Bremseingriff zu einem ESP II mit zusätzlichem Lenkeingriff. Die heute hydraulische Lenkung wird bei Kleinwagen von der elektro-hydraulischen abgelöst, die wesentlich einfacher konstruiert ist. Aber auch ihre Ablösung durch die rein elektrische Lenkung ("steer-by-wire") nach 2010 ist absehbar.

Sicherheit als Kernelement der Automobilmarke

Der Autofahrer verlangt mehr Sicherheit im Fahrzeug. Einige Automobilhersteller, allen voran die Marken Audi, Mercedes-Benz, BMW, aber auch Renault oder Volkswagen, werden daher Sicherheit zu einem der zentralen Elemente ihres Markenkerns ausbauen und sich hierüber auch stärker differenzieren.

Für alle anderen Fahrzeughersteller wird Sicherheit zur "commodity" und von den großen externen Systemlieferanten zugekauft. Hier werden sich einfachere Systeme durchsetzen, die mit vergleichsweise geringen Kosten deutliche Verbesserungen in punkto Sicherheit bieten. Anstelle von Fahrassistenzsystemen mit aktivem Eingriff in Fahrwerk, Lenkung oder Bremse werden sich hier Frühwarnsysteme durchsetzen.

Ziel der Entwicklung ist bei der aktiven Sicherheit ein zentrales elektronisches Fahrwerksystem, das gleichzeitig Bremse, Lenkung und aktive Federung kontrolliert - und das alle Funktionen von ABS, ESP sowie neue Assistenz-Möglichkeiten integriert. Gleiches gilt für die passive Sicherheit. Die traditionellen Geschäftsmodelle der Zulieferer geraten in Gefahr. Gewinner sind einerseits die großen Sicherheitssystem-Integratoren wie TRW, Delphi, Autoliv, ZF, Takata-Petri, ZF, Bosch oder Continental als Lieferanten kompletter, integrierter Sicherheitssysteme, und andererseits spezialisierte Komponentenhersteller als Lieferanten der zweiten Ebene. Die Mitte, wie etwa reine Bremssystem-Lieferanten, wird durch die neuen Technologien akut bedroht.

Internationale Partnerschaften bei Sicherheit

Bereits für die Weiterentwicklung vom heutigen ESP zu ESP II müssen Kompetenzen sowohl in Brems-, Fahrwerk- als auch in Lenksystemen vorhanden sein. Bei den Entwicklungs- und Herstellungsprozessen der Zukunft muss das traditionelle, eher hierarchisch geprägte Zusammenspiel zwischen Automobilherstellern, Zulieferindustrie und Dienstleistern abgelöst werden durch Wertschöpfungspartnerschaften, die die bisherigen Rollen neu definieren. Die richtige Partnerwahl und das Management solcher eng verknüpften Wertschöpfungsnetze werden für den zukünftigen Erfolg von Marken und Automobilherstellern eine entscheidende Rolle spielen.