Bußgeldbescheid: So können Sie sich wehren

Wann ist es sinnvoll mit dem Blitzer-Ticket vor den Richter zu ziehen?

[13.05.2014] Ratgeber | gl

Nach der jüngsten Reform des Bußgeldkataloges haben Punkte in Flensburg deutlich mehr Gewicht: jetzt ist der Führerschein schon nach 8 Punkten weg. Zwar steht gegen Bußgeldbescheide z.B. "Blitzer-Tickets" der Rechtsweg vor die Gerichte offen, doch wann ist es sinnvoll Einspruch einzulegen und vor den Richter zu ziehen? Und was kann ein Einspruch kosten? Unser Ratgeber fasst für Sie das Wichtigste zusammen.

Wen trifft die Reform des Punktesystems am härtesten?

Polizeikontrolle
Ordungswidrigkeiten im Ein Führerscheinentzug trifft Berufs- und Vielfahrer besonders hart, © Gerhard Seybert

Schon bei den ersten Ankündigungen zur Reform des Punktesystems mahnten Verkehrsexperten vor einer Benachteiligung für Vielfahrer. An diesem Umstand hat sich nichts geändert. Wenn einzelne Vergehen mehr ins Gewicht fallen und in Summe schneller zum Führerscheinentzug führen, leiden besonders diejenigen darunter, die das Auto besonders häufig nutzen. Und das sind vor allem Berufs- und Vielfahrer. Da eine differenzierte Behandlung von Verstößen abgelehnt wird, trifft die Reform besonders diese Personengruppe.

Wann kann ich Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid einlegen?

Grundsätzlich kann innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides, bei der Behörde die den Bescheid erlassen hat, schriftlich oder zur Niederschrift Einspruch eingelegt werden (§ 67 OWiG). Danach wird der Bescheid rechtskräftig und kann nicht mehr durch einen einfachen Einspruch aufgehoben werden. Beachten Sie auch, dass „Zustellung“ nicht die Kenntnisnahme des Bescheids bedeutet: Der Bescheid gilt als zugestellt, wenn er bei Ihnen im Briefkasten landet. Zudem gilt er nach dem Bundeszustellungsgesetz drei Tage nach Versand durch die Behörde als zugestellt. Sollte es also dringlich sein, dass Sie Einspruch einlegen, so zögern Sie nicht zu lange. Die genauen Formalien des Einspruchs sind auf dem Bescheid selbst abgedruckt.

Was passiert wenn ich Einspruch eingelegt habe?

Nachdem Sie Einspruch eingelegt haben entscheidet das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Verwaltungsbehörde ihren Sitz hat, über die Folgen des Einspruchs (§ 68 OWiG). Anders als im Strafverfahren muss bei einem Ordnungswidrigkeitsverfahren Ihre Unschuld positiv festgestellt werden. Das bedeutet für Sie: das Gericht sieht den Bescheid der Straßenverkehrsbehörde zunächst als rechtmäßig an und Sie müssen Beweise für Ihre Unschuld vorbringen. Dies nennt man Beweislastumkehr.

Woran muss mein Vortrag bei Gericht anknüpfen?

Bei Messungen von Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit wenden die Behörden Messverfahren an, welche unter gleichen Vorraussetzungen gleiche Ergebnisse erwarten lassen (sogenanntes "Standardisiertes Messverfahren"). Zum Beispiel gibt eine „Messpistole“ immer den Wert 100 km/h auf dem Anzeigedisplay wieder, wenn ein Fahrzeug mit dieser Geschwindigkeit gemessen wird. Dies bedeutet, dass Sie vor Gericht darlegen müssen dass die Messung fehlerhaft war, die Beschilderung der Straße bezüglich Geschwindigkeit unzureichend war oder Sie gar nicht am Steuer gesessen haben (oder ähnliches). Bei Begründungen dieser Art sollten Sie die Hilfe eines Verkehrsanwalts in Anspruch nehmen.

Wann lohnt sich ein Gang zum Gericht?

Bei einem drohenden Fahrverbot ist der Gang zum Richter eine Erwägung wert: Aufgrund des beschränkten Beurteilungsspielraums (sogenanntes Ermessen) der Behörden, können diese fast nie von der vorgeschriebenen Rechtsfolge des Fahrverbotes abweichen. Anders ein Richter: Dieser hat viel mehr Handlungsspielraum als die Behörde und kann auch alternative Sanktionen anordnen. Wenn Sie z.B. beruflich auf die Fahrerlaubnis angewiesen sind, ist es wahrscheinlich dass ein Richter Ihnen diese nicht nehmen wird. Das bedeutet jedoch nicht, dass Sie in einem solchen Fall einen Freibrief haben. Ein Richter muss immer den Einzelfall abwägen.

Doch auch in scheinbar aussichtslosen Fällen kann ein Einspruch sinnvoll sein: Dieser und das damit zusammenhängende gerichtliche Verfahren haben aufschiebende Wirkung. Das bedeutet, dass das Fahrverbot erst mit Abschluss des Verfahrens rechtskräftig wird und Sie solange noch Auto fahren dürfen. Sollte ein Fahrverbot in einigen Monaten also weniger schlimm für Sie sein, als wenn Sie ab sofort nicht mehr fahren dürfen, kann ein Einspruch auch hier eine vernünftige Option sein. Eine Ausnahme bildet die sogenannte „Anordnung zur sofortigen Vollziehung“ einer Behörde, welche ein sofortiges Fahrverbot möglich macht. Gegen eine solche Anordnung steht jedoch der einstweilige Rechtsschutz zur Verfügung. In einem solchen Fall sollten Sie Ihren Anwalt befragen.

Welche Risiken bringt ein Einspruch mit sich?

Jeder Einspruch gegen Bußgeldbescheide birgt ein Kostenrisiko. Zunächst muss ein Rechtsanwalt beauftragt und bezahlt werden. Nach der aktuellen Gebührenordnung liegen die Anwaltskosten für ein Bußgeldverfahren von z.B. 100 Euro bei ca. 630 Euro. Diese Kosten fallen auch an, sollte man das Verfahren vor Gericht zu seinen Gunsten entscheiden. Auch bei einer Rechtsschutzversicherung werden nicht 100% der Kosten übernommen. Ein Rest von 100 bis 150 Euro bleibt fast immer bestehen. Zu den Anwaltskosten können unter Umständen noch Kosten für einen Gutachter kommen. Bei Geschwindigkeitsübertretungen ist dies nicht selten der Fall. Messtechnische Gutachten gibt es normalerweise nicht unter 1.000 Euro. Allerdings müssen Sie diese Kosten im Falle eines erfolgreichen Einspruches nicht zahlen, denn dann fallen sämtliche Gerichtskosten der Staatskasse zur Last.

Achten Sie hier auf Abzocke im Netz!

Viele Anwälte versuchen im Internet auf Mandantenjagd zu gehen indem Sie Ihnen hohe Erfolgschancen vor Gericht versprechen. Derartige Angaben sind in der Regel unseriös. Seien Sie daher vorsichtig.